Schon in der C-Jugend begeisterte mich nur das Fußballspielen selbst, sondern auch die Theorie hinter dieser Sportart. Dabei spielten auch Statistiken & Zahlen eine wesentliche Rolle für mich. Das führte dazu, dass die Bundesliga-Wochenenden nicht mit dem Abpfiff des letzten Sonntags Spiels endeten. Ganz im Gegenteil. Am Montag wurde der Spieltag dann ausführlich unter die Lupe genommen. Dafür ging es zum nächsten Kiosk, um die Zeitschrift „kicker“ zu besorgen und den Statistikteil „durchzuarbeiten“ – Welcher Spieler hatte die meisten Zweikämpfe gewonnen? Wie viel Kilometer ist „mein“ Team gelaufen? Was für eine Passquote hatte mein Lieblingsspieler, …?
Daten, Daten und noch mehr Daten
Immens erschien mir die Menge an Zahlen und Statistiken, die in den Fußballzeitschriften damals abgedruckt wurden. In den folgenden 10-15 Jahren haben sich die technischen Möglichkeiten in der Datenerhebung dann enorm weiterentwickelt. Würde man die gesamten Daten eines Spieltags in der Bundesliga heute auf Papier bringen, könnte wohl eine komplette Bibliothek gefüllt werden – dagegen wirkt der Statistik-Teil im „Kicker“ mittlerweile sehr überschaubar.
Positionsdaten
Ein Großteil dieser riesigen Datenmengen machen die sogenannten Positionsdaten aus. Diese werden von der DFL mit Hilfe von mehreren Kameras ermittelt. Dabei wird jeder Schritt, jeder Standort und auch jede Bewegungsgeschwindigkeit von allen Spieler erfasst – und zwar zu jedem Zeitpunkt im Spiel
Diese Positionsdaten können von Trainern, Analysten oder auch Medien ganz unterschiedlich genutzt werden, um hilfreiche Informationen über das Spiel zu erlangen. So kann beispielsweise herausgefunden werden, …
- …ob die letzte Kette auf der gewünschten Höhe agiert hat.
- …wie viele Sprints ein Spieler innerhalb von 90 Minuten absolviert hat.
- …wie das Zusammenspiel von Spielern ausgesehen hat – beispielsweise veranschaulicht durch sogenannte Pass Netzwerke
- …wie hoch der Expected Goals-Wert der beiden Teams ist.
Pass Netzwerke

Bei sogenannten Pass Netzwerken sehen wir ein Spielfeld auf welchem die 11 Spieler einer Mannschaft abgebildet sind. Der Standort der einzelnen Spieler ist die Durchschnittsposition. Diese wird mit Hilfe der Positionsdaten berechnet. Zwischen den Akteuren sind Linien zu sehen, welche die Passwege anzeigen. In dem abgebildeten Pass Netzwerk werden häufiger Passwege beispielsweise durch etwas dickere Linien dargestellt.
Expected-Goals-Wert
Der Expected-Goals-Wert gibt an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eines Abschluss den Weg ins Tor findet. Der Wert eines Torabschlusses liegt immer zwischen 0 und 1 und ist abhängig von der Torentfernung, dem Winkel und dem Gegnerdruck. Hat ein Abschluss also einen xG-Wert von 0,33 liegt die Trefferwahrscheinlichkeit bei 33%.
Diese xG-Werte könne wiederum auf ganz unterschiedliche Art und Weisen genutzt werden. Oftmals werden die Werte innerhalb eines Spiels für jede Mannschaft aufaddiert. In dem folgenden Abbildung sehen wird beispielsweise, dass Österreich 1 zu 2 gegen Dänemark verloren hat. Jedoch hatten die Österreicher in Summe die besseren Torchancen – 1.84 xG zu 1.33 xG




Der richtige Umgang mit Daten im Fußball
Die Höhe der letzten Kette, Sprints, Pass Netzwerke und der xG-Wert sind aber nur 4 von unzähligen Möglichkeiten, wie diese Positionsdaten genutzt werden können. Jedoch sollte nicht vergessen werden, dass nur wenige Teams und/oder Liegen diese Positionsdaten erheben. Abhängig von der Höhe der Spielklasse und dem Budget eines Vereins kann der Umfang an verfügbaren Spieldaten stark variieren.
Doch ganz losgelöst von der verfügbaren Datenmenge sollte selbstverständlich verstanden werden, wie Daten im Fußball sinnvoll genutzt werden können. Dafür möchten wir euch 4 wesentliche Tipps mit an die Hand geben.
#1 Tipp – „Kenne die Definitionen“
Für einige Zahlen im Fußball werden keine oder zumindest keine komplexen Definitionen benötigt – so wird beispielsweise wohl immer Einigkeit darüber herrschen, was ein Tor ist. Bei vielen anderen Zahlen sieht es jedoch anders aus.
Gehen wir beispielsweise davon aus, dass ein Datendienstleister die Anzahl der Balleroberungen nach einem Gegenpressing für Spiele angibt. In diesem Fall wäre es hilfreich die Definition von einem „Gegenpressing“ zu kennen. Andernfalls haben diese Zahlen wenig Aussagekraft, da viele Fragen offen bleiben – Wird der Ort der Balleroberung und des Ballverlustes eine Rolle? Spiel Zeit eine Rolle? Und falls ja, wie? Wird noch von einem erfolgreichen Gegenpressing gesprochen, wenn der Ball 5, 8 oder gar 10 Sekunden nach dem Ballverlust zurückerobert wurde?, …
Bereits kleine Abweichungen der Definition können zu stark abweichenden Zahlen und damit zu ganz unterschiedlichen Interpretationen oder Schlussfolgerungen führen.
#2 Tipp – „Interpretiere vorsichtig“
Damit sind wir auch schon beim 2. Tipp zum Umgang mit Daten im Fußball angekommen – dieser bezieht sich auf die Interpretation von Zahlen und Statistiken im Fußball. Dabei empfehlen wir mit einer gewissen Vorsicht und Sorgfalt zu agieren.
Hat ein Spieler in der vergangenen Spielzeit beispielsweise 51% seiner Dribblings gewonnen und in dieser Spielzeit 57%, ist ein Gedanke sehr naheliegend : „Der Spieler hat sich im offensiven 1 gegen 1 verbessert!“ Möglicherweise ist diese Aussage richtig. Jedoch kann dieser erhöhte Wert aber auch andere oder zumindest teilweise andere Gründe haben. Aus diesem Grund sollten solche Zahlen immer im Kontext betrachtet werden. Hier ein paar beispielhafte Fragen, welche bei der Interpretation der Zahlen berücksichtigt werden könnten:
- Hat der Spieler vermehrt in anderen Räumen agiert, in welchen das Lösen von offensiven Dribblings tendenziell einfacher oder schwieriger ist?
- Spielt der Spielers noch in der selben Spielklasse? Falls ja – Hat sich die Qualität der Gegenspieler wesentlich verändert?
- Hat sich die Spielidee seines Teams verändert, wodurch sich andere 1 gegen 1-Situationen ergeben?
- Hat sich die Rolle des Spielers gewandelt, wodurch sich die Art der offensiven Dribblings oder auch Risikobereitschaft bei 1 gegen 1-Situationen gewandelt hat?
#3 Tipp – „Qualität geht über Quantität“
In diesem Tipp sind gleich 2 Ratschläge enthalten – zum Einen im Hinblick auf die Datenauswertung und zum Anderen für die Datenerhebung. Wie Eingangs erwähnt sind mittlerweile Unmengen von Daten verfügbar – Daten, mit denen man sich Ewigkeiten auseinandersetzen könnte.
Aus diesem Grund sollte bei der Arbeit mit den (potentiell) verfügbaren Daten zunächst ausgearbeitet werden, welche davon wirklich relevant sind. Dabei können beispielsweise folgende Faktoren eine Rolle spielen:
- Gibt es Daten, welche Aspekte der eigene Spielidee und der Spielprinzipien messbar machen
- Werden die Daten für den Jugendfußball benötigt, weshalb die Entwicklung der Einzelspieler eine hohe Priorität hat?
- Ist aufgrund des Trainings- und Spielplans eine besonders Augenmerk auf die Belastungssteuerung zu richten?
- Wie viel Arbeitszeit steht für die Auswertung von Daten zur Verfügung?
- Wie zuverlässig/exakt sind die verfügbaren Daten einzuschätzen? Lässt sich die Qualität von Daten Dienstleistern überprüfen? Können wir die Daten eigenständig erheben?
„Qualität statt Quantität“ bedeutet im Zusammenhang mit der Datenauswertung also, dass man sich auf die Auseinandersetzung mit wenigen Daten begrenzt – dabei aber intensiv mit zuverlässigen Daten arbeitet, die einen großen Mehrwert liefern.