Das Konzept „Spielertrainer“ klingt erstmal nach Amateurfußball. Tatsächlich gibt es den spielenden Trainer, aber nicht nur in den unteren Ligen, sondern auch im Profifußball. Doch ganz losgelöst davon, ob der Spielertrainer einen Bundesligisten oder ein Team aus der Kreisliga trainiert, ist eines Fakt: Er ist ein Fußballverrückter im besten Sinne – er kann weder auf das Spielen, noch auf das Durchdenken des Fußballs verzichten.
Ein Betrachtung des Models „Spielertrainer“
In diesem Beitrag werden wir die Doppelfunktion aus Spieler und Trainer genauer unter die Lupe nehmen. Wir werden euch zuerst ein paar bekannte Spielertrainer vorstellen – dabei werden auch prominente Namen auftauchen, mit denen ihr vermutlich keine Tätigkeit als Spielertrainer verbunden hättet. Anschließend werden wir genauer auf das Konzept „Spielertrainer“, sowie die Vor- und Nachteile dieses Models eingehen.
Außerdem möchten wir uns mit drei Fragestellungen auseinandersetzen, welche uns im Zusammenhang mit der praktischen Arbeit als „Spielertrainer“ beschäftigt haben:
Ist das Trainermodel eine sinnvolle Option für mich und meine Mannschaft? Wie kann das Konzept „Spielertrainer“ in der Praxis umgesetzt werden? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit das Model „Spielertrainer“ erfolgreich funktioniert?
Bekannte Spielertrainer
Joachim Löw – Tatsächlich ist der Name des langjährigen Bundestrainers nicht versehentlich hier aufgetaucht. Auch wenn es wohl kaum jemand vermutet hättet, war auch Joachim Löw als Spielertrainer aktiv – und zwar im Jahre 1994 beim schweizer Drittligisten FC Frauenfeld. Insgesamt 39 Spieler betreute der gebürtige Schwarzwälder das Team der Frauenfelder in der Doppelfunktion als Spieler und Trainer.
Er hat von sich, aber auch von seinen Mitspielern, immer sehr viel verlangt. Man konnte davon ausgehen, dass er in diesem Metier einmal ein Großer wird.
André Rindlisbacher, ehemaliger Präsident des FC Frauenfeld
Quelle: https://www.tagblatt.ch/sport/jogi-ist-auch-heute-noch-jogi-ld.829954
Vincent Kompany – Der belgische Innenverteidiger hat ein beachtliche Spielerkarriere hinter sich – 4 englische Meistertitel, über 50 Spiele in der Champions League und einen dritten Platz bei der WM 2018. Im Jahr 2019 wollte Kompany dann als Trainer loslegen, aber seine Fussballschuhe trotzdem noch nicht an den Nagel hängen. Deshalb wurde der Innenverteidiger Spielertrainer bei seinem Ausbildungsverein RSC Anderlecht. Jedoch nur 5 Spiele. Dann entschied sich der Belgier für eine reine Trainerfunktion in Anderlecht.
Kompanys Bilanz als Spielertrainer und Trainer beim RSC Anderlecht:
Wayne Rooney – Auch die englische Fußballlegende Wayne Rooney war zuerst als Spielertrainer und dann ausschließlich als Trainer bei einem Verein aktiv. Der Verein um den es sich handelt ist der englische Zweitligist Derby County. Dort war Rooney zunächst „nur“ Spieler bis der Cheftrainer Ende 2020 entlassen wurde. Daraufhin übernahm Rooney als spielender Interimstrainer. 2 Monate später entschied sich der ehemalige Stürmer die Spielerkarriere endgültig zu beendet und sich vollständig auf den Trainerjob zu konzentrieren.
Rooneys Bilanz als Spielertrainer und Trainer beim FC Derby Country:
Kenny Dalglish – 1986 gewann der Schotte als Spielertrainer die englische Meisterschaft mit dem FC Liverpool
Weitere bekannte Spielertrainer – Sir Alex Ferguson, Karl-Heinz Riedle, Edgar Davids, Gennaro Gattuso und Romario
Der Spielertrainer hat mehr Einflussmöglichkeiten
Jeder Trainer, der ein halbwegs talentierter Spieler war, hatte mit großer Sicherheit schon mal folgenden Gedanken während eines Fußballspiels gehabt – „Das kann ich besser als mein Spieler!“
Die Coachingzone sowie die Regularien des Spiel verhindern jedoch die tatsächliche Umsetzung des Gedankens. Ein Spielertrainer kann sich dagegen jederzeit einwechseln lassen und die Begegnung auch als Spieler mitgestalten. Er hat also gleich 2 Optionen das Spiel zu beeinflussen – zum Einen als Trainer und zum Anderen als Spieler.
Der Spielertrainer ist näher an der Mannschaft dran
Sobald ein Spielertrainer also auf das Feld kommt, ist er sowohl Trainer als auch Spieler und damit näher an seiner Mannschaft – und zwar nicht nur im räumlichen Sinne. Der spielende Trainer wird mit seiner Einwechslung ein Teil der Mannschaft. Damit ist der Spielertrainer auch in seinem Handeln und in seinen Empfindungen noch näher am Team dran. Im nächsten Schritt möchten wir unter Anderem klären, ob diese Nähe ein Vor- oder Nachteil oder sogar beides ist.
Vor- und Nachteile des Konzepts „Spielertrainer“
Vorteil | Nachteile |
Der Spielertrainer hat mehr Möglichkeiten auf das Spiel Einfluss zu nehmen (Trainer + Spieler) | Ein Spielertrainer bietet mehr Angriffsfläche |
Der Spielertrainer kann sich besser in seine Spieler hineinversetzen | Ein Spielertrainer muss sich auf (zu) vieles gleichzeitig konzentrieren |
Der Spielertrainer kann seine Spielphilosophie noch besser „vorleben“ | Dem Spielertrainer fehlt die „Außenperspektive“ auf das Spielgeschehen |
Der Spieler hat kürze Abstände zu vielen Mitspielern – dadurch sind Kommandos besser zu hören | Ein Spielertrainer „nimmt“ seinen Spieler Spielzeit weg |
Wie sehr diese Vor- und Nachteile tatsächlich zum Trage kommen, hängt natürlich vom Profil des Spielertrainers, aber auch von den anderen Akteuren des (Trainer-)Teams ab. Falls ein Verein überlegt, ob ein Spielertrainer eine Option ist, sollten demnach folgende Faktoren/Profile berücksichtigt werden:
1.) Die Führungsspieler
Zwei wesentliche Vorteile des Spielertrainers gegenüber dem „normalen“ Trainer sind, dass dieser aus kürzerer Distanz coachen kann und sein „Spielphilosophie“ auf dem Platz vorleben kann. Was ist jedoch, wenn bereits ein Spieler mit viel Erfahrung, Führungsqualität und Spielverständnis auf dem Feld steht? – ein Spieler wie Thomas Müller. In dem Fall kann der Führungsspieler als verlängerter Arm des Trainers agieren. Dadurch wird der Spielertrainer als „Trainer auf dem Feld“ nur bedingt benötigt.
Er spielt unglaublich intelligent Fußball und kann auch die Vorgaben des Trainers als verlängerter Arm unglaublich intelligent umsetzen
Julian Nagelsmann über Thomas Müller
2.) Der Co-Trainer
Ohne einen zweiten Trainer wird Umsetzung des Konzepts „Spielertrainer“ sehr schwierig – sehr viel Verantwortung lastet auf den Schultern des spielenden Trainers. Er muss sich um die Wechsel kümmern, seine Mannschaft alleine coachen und ganz nebenbei noch gut Fußball spielen.
Ein guter Co-Trainer an der Seitenlinie kann für einen Spielertrainer Gold wert sein. Kommt der Cheftrainer auf das Feld, kann der Assistenztrainer die Verantwortung für die Wechsel und das Coaching von außen übernehmen. Dadurch hat der Spielertrainer mehr Kapazitäten, um sich um sich auf sein eigenes Spiel zu konzentrieren – speziell, wenn der Co-Trainer sehr verlässlich ist.
Mehr über die Rolle des Co-Trainer erfährst du hier
Anmerkung: Auch der Co-Trainer kann als Spielertrainer agieren. In der Saison 2013/14 war Ryan Giggs zweiter Trainer und Spieler von Manchester United. In seiner letzten Partie als Spieler wechselte sich der Waliser dann selbst ein und bereitete den 3:1-Endstand vor – und das im Alter von 40 Jahren.
3.) Die fussballerische Qualität des Spielertrainers
Die Grundvoraussetzung für das Model „Spielertrainer“ ist, dass der Trainer auch als Fussballer einen Mehrwert miteinbringt. Andernfalls ist das Trainerkonzept zum Scheitern verurteilt.
Hebelt der Trainer für sich das Leistungsprinzip aus, kann das schnell zu Schwierigkeiten führen. Denn wie will der Spielertrainer seine Einwechslung oder gar sein Startelfeinsatz rechtfertigen, wenn bessere Fussballer auf der Bank sitzen. Das könnte schnell den Anschein erwecken, dass der Spielertrainer seine Lust auf das Fussballspielen dem Erfolg der Mannschaft unterordnet.
Anmerkung: Der Spielertrainer sollte sportlich auf jeden Fall Schritt mit seiner Mannschaft halten können. Im Idealfall sollte der spielende Trainer sogar zu den Leistungsträgern der Mannschaft gehören und bereits Erfahrungen in höheren Spielklassen gesammelt haben.
4.) Die geplante Umsetzung des Konzepts „Spielertrainer“
Die Rolle des Spielertrainers wird in der Praxis ganz unterschiedlich umgesetzt – der eine Spielertrainer spielt immer 90 Minuten, der Andere wechselt sich dagegen nur bei bestimmten Spielszenarien oder in den letzten Minuten ein.
Fazit
Die Gründe für die Umsetzung des Konzepts „Spielertrainer“ können ganz unterschiedliche sein – zu kleiner Kader, der Wunsch Spieler und Trainer sein zu wollen, etwas Neues wagen, mehr Nähe zur Mannschaft, …
Doch ganz losgelöst von den Gründen, sollten 2 Grundvoraussetzungen auf jeden Fall erfüllt sein:
- Der Spielertrainer bringt als Spieler einen sportlichen Mehrwert
- Der Co-Trainer kann die Aufgabe des Cheftrainers an der Seitenlinie (fast) genauso gut umsetzen
Sind die beiden Voraussetzungen erfüllt, kann ernsthaft über das Trainerkonzept nachgedacht werden. Dann kann mit einer Kosten/Nutzen-Abwägung, die durch den spielenden Trainer entsteht, weitergemacht werden – Welche Nachteile entstehen durch die Einwechslung oder Aufstellung des Spielertrainers? Welchen Vorteile bringt der Spielertrainer, wenn er auf dem Feld steht? Schlagen die Vorteile stärker als die Nachteile ins Gewicht, steht der Umsetzung des Models „Spielertrainer“ eigentlich nichts mehr im Weg.